Geschichte beGEHEN
Am 23.1.2023 machten sich die Studierenden der 1S im Zuge eines ökumenischen Religionsunterrichts gemeinsam mit der Begleiterin Ruth K. Lauppert-Scholz
bei leichtem Regen auf einen Stadtrundgang der anderen Art auf:
wir sind den zahlreichen Spuren jüdischen Lebens und Leidens in Graz gefolgt und erfuhren so eine Fülle an Neuem, bisher Unbekannten.
1.Station - Grazer Burg, Hofgasse 15 - Jüdischer Grabstein des Reb Nissim
Die Grabplatte ist mit viel Text versehen, da jede jüdische Person nach ihrem Tod einen eigenen Grabstein mit Inschrift bekommt.
Auf der Grabplatte aufgelegte Steine erinnern an den verstorbenen Menschen.
2. Station - Burgtor Hofgasse/ Erzherzog-Johann-Allee - Mahn -und Erinnerungstext
Sebastian liest den an die Decke geschriebenen Text laut vor.
Es ist eine Inschrift, der an die Deportation der steirischen Juden und Jüdinnen erinnern soll und gleichzeitig mahnt.
Mit diesem Text wird auch auf Mittäterschaft und Verantwortung hingewiesen.
Ein Beispiel für Mittäterschaft wird von Frau Lauppert-Scholz geschildert:
Sigfried Uiberreither (1908-1884), Gauleiter der Steiermark in der Zeit des Nationalsozialismus konnte nach Beendigung des Krieges aus der amerikanischen Gefangenschaft fliehen
und sich so einem Gerichtsverfahren entziehen.
Mit einer neuen Identität konnte er als Friedrich Schönharting in Deutschland arbeiten und wohnen.
Frau Lauppert-Scholz berichtet davon, dass viele Menschen das gewusst und weggeschaut haben.
3. Station - Stadtpfarrkirche zum Hl. Blut, Herrengasse 23
Der Innenhof war Teil des Zentrums der jüdischen, mittelalterlichen Siedlung. Dieser ist heute mit 144 Quadraten gepflastert, mit jeweils 12 mal 12 cm.
Jedes Quadrat ist mit einem Buchstaben versehen, insgesamt ergeben alle Buchstaben den Text eines Segens aus dem 4. Buch Mose.
Dieser „Aaronitischer Segen“ ist ein Segen, der sowohl für das Judentum als auch für das Christentum von Bedeutung ist und diese Bedeutung wird hier sehr schön veranschaulicht.
Eine Tafel, die an der Mauer befestigt ist, gibt einen Hinweis auf dieses ehemalige jüdische Wohngebiet.
4. Station - Supermarkt Spar, Hans-Sachs-Gasse 14
In der Getränkeabteilung des Geschäftes ist ein Teil der mittelalterlichen Stadtmauer freigelegt.
Die wenigsten Menschen wissen, dass sich an dieser Stelle das sogenannte „Jüdische Türl“ befand,
welches aus der Stadtmauer hinausführte und gleichzeitig in den jüdischen Friedhof hinein, der sich bis zum Jakominiplatz hinzog.
Ein jüdischer Friedhof ist ein Friedhof mit Besonderheiten, die sich aus den Geschichten des Judentums ergeben.
So ist die Erdbestattung vorgeschrieben.
Der Friedhof wird außerhalb des Wohngebietes angelegt, da er als unrein gilt.
Die Lebenden sollen sich mit den Toten nicht „an einem Ort“ aufhalten.
Die Besucherinnen legen anstelle von Blumen kleine graue Steine auf das Grab.
Steine symbolisieren die Beständigkeit und Unvergänglichkeit.
Auch auf die unrühmliche Geschichte von Graz als "Stadt der Volkserhebung" wurde hingewiesen:
"Arisierung" von jüdischem Eigentum, Zerstörung, Vertreibung, Mord an der jüdischen Bevölkerung werden
zum Beispiel durch die Verlegung der Messing-Nockerl im Boden vor den letzten Wohnhäusern jüdischer Mitbürger:innen erinnert.
Das Jännerwetter mit kaltem Regen und Wind hat seinen Anteil beigetragen, an diesem Tag die Tragik des Themas noch greifbarer zu machen
und gleichzeitig auf die Dringlichkeit der Erinnerungskultur hingewiesen!
Im Namen der 1S dürfen wir Begleitlehrende Sabine Jakubiec und Sebastian Schlöglmann uns
herzlich für die sensible, wertschätzende, kompetente Stadtführung von Frau Lauppert-Scholz bedanken!
Bilder und Text: Sabine Jakubiec und Sebastian Schlölgmann